Lothar Wolleh – SANKT PETER IN SANKT PETER

TURM RAUM KUNST
Lothar Wolleh – SANKT PETER IN SANKT PETER

21. Mai – 22. Juni 2021
 
 

Jetzt sah ich mich im großen Gotteshaus
Der Christenheit allein in all‘ der Menge,
Sie beteten, sie gingen ein und aus,
Und Tausende verlor ich im Gedränge.
Hat ja ein Volk beinahe Raum genug
In diesem freundlich hochgewölbten Baue,
In dessen Hallen mich die Sehnsucht trug,
In dem ich auf, wie zu den Sternen schaue.
Still ist’s um mich: der ferne Orgellaut
Klingt leise her zu mir aus der Kapelle,
Je mehr der Abend durch den Tempel graut,
Je mehr die Sonne schwindet und die Helle.
Bald schweigt’s, und lange Züge seh‘ ich schon
Die weite Marmorebene durchwallen,
Ein heilig Lied in schwermuthsvollem Ton
Hör‘ ich in den Gewölben dumpf verhallen.
Sie sind verschwunden mit dem Volksgewühl:
Um mich und über mir ist’s Todtenstille,
Und dieser Stätte schauderndes Gefühl
Ergreift das Herz in nie gekannter Fülle.

 
Aus: Wilhelm Friedrich Waiblinger, Die Nacht in St. Peter

 
 
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MYSTIK DES LICHTS
Der Berliner Fotograf Lothar Wolleh (1930 –1979), der durch seine zahlreichen Künstlerporträts der 1960er und 70er Jahre und hier vor allem durch die Aufnahmen von Joseph Beuys bekannt wurde, war 1962 bis 1965 offizieller Fotograf des II. Vatikanischen Konzils in Rom. 1975 erschien sein Bildband „Apostolorum Limina“ zu den Feierlichkeiten des Heiligen Jahres. Parallel zu diesen offiziellen Aufnahmen entstanden 1963 bis 1965 und dann ab 1968 die „Farbwerk“-Serien
 

Aus diesem Konvolut werden diese atmosphärischen, oftmals abstrakten Aufnahmen in der Kunst-Station Sankt Peter Köln erstmals gezeigt, in denen Wollehs spirituelle Dimension einer nahezu mythischen Verehrung des Lichts spürbar wird.
 

Die Arbeit während des II. Vatikanischen Konzils lehrte Wolleh, dass ein Foto mehr als nur ein Fenster zur Welt war. Stattdessen experimentierte er mit den visuellen Qualitäten von Farbe und Licht. Das kirchliche Leben und die Erinnerungen an Glauben und Individualität lösten sich in verschwommenen Linien, Konturen, Lichthöfen und Auren auf und machten Platz für Vorstellungsatmosphären.
 
 
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SANKT PETER IN SANKT PETER
Als offizieller Konzilsfotograf seziert Wolleh in seinen abstrakten Kirchenbildern Licht und Dunkel in Räumen des Glaubens und Zweifelns. Die ambitionierte Ausstellung „Sankt Peter in Sankt Peter“ entbehrt nicht einer besonderen Delikatesse, denn die verschwebenden Lichtkonturen eröffnen ungeahnte bis unvorstellbare Sichtweisen Kirche und Spiritualität. Römische Bilder der Kirche in unvermutetem Licht und Dunkel. Modern, konzentriert, provokativ, weswegen die Bilder bisher (kirchlich) nur marginal beachtet wurden.
 

Die Bilder sind Corona-bedingt in der Kirche zu sehen. Wenn es die Umstände erlauben, werden sie oben im Turmraum präsentiert.
 
 
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AUSGESTELLTE ARBEITEN
St Peter (Orte des Lichts), 1974, 100 x 100 cm

St Peter (Orte des Lichts), 1974, 100 x 100 cm

Petersplatz, 1974, 160 x 160 cm

© Lothar Wolleh Estate, Berlin
 
 
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LOTHAR WOLLEH
1930 Geboren am 20. Januar in Berlin

1946-48 Studium an der Hochschule für angewandte Kunst, Berlin-Weißensee

1950-56 Sechsjährige Haft wegen angeblicher Spionage im Straflager Workuta, Eismeer, UdSSR

1956-57 Ausbildung im Lette Verein, Berlin (West)

1958 Mehrmonatiger Aufenthalt in Gotland als Erholungsprogramm für kriegsgeschädigte Jugendliche. Diese Reise begründete eine lebenslange Zuneigung Wollehs zu den Menschen und der Landschaft der Insel. Hier liegt er begraben

1959-61 Studium an der Folkwang-Schule, Essen, bei Otto Steinert

196-79 Freischaffender Fotograf in Düsseldorf

1965 Erste Fotobuchveröffentlichung „Das Konzil“

1972 Film über die Schwarzweiß-Raum-Aktion von Günther Uecker

1973 „Unterwasserbuch“ mit Josef Beuys. Die Aufnahmen werden später unter dem Namen „Drei Tonnen Edition“ bekannt

1975 Fotobuch „Apostolorum Limina“

1977–79 Aufenthalte in Polen für die Arbeit an den unvollendeten Foto-Bänden „Die schwarze Madonna von Tschenstochau“ und „Schloß Wawel“

1978 Aufnahmen zu „Ludwig van Beethovens Leonore“, Idee einer Oper von Günther Uecker

1979 Aufnahmen zu „Zum Zeichen der Schrift oder Sprachlosigkeit“ von Günther Uecker
Gestorben am 28. September in London

 
 
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WERKGESPRÄCHE
So, 30. Mai 2021, 13.15 Uhr mit Oliver Wolleh und Guido Schlimbach

So, 6. Juni 2021, 13.15 Uhr mit Bernd Fechner und Stephan Kessler
 

Die Gespräche finden unter den jeweils aktuellen Corona-Bedingungen statt.

 
 
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In Zusammenarbeit mit
 
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© Lothar Wolleh, St Peter (Orte des Lichts), 1974, 100 x 100 cm @ Lothar Wolleh Estate, Berlin

 
 

© Lothar Wolleh, St Peter (Orte des Lichts), 1974, 100 x 100 cm @ Lothar Wolleh Estate, Berlin
 
 


© Lothar Wolleh, Petersplatz, 1974, 160 x 160 cm @ Lothar Wolleh Estate, Berlin